Minister sollen nicht an ihren Sesseln kleben. Sie müssen raus, sich umschauen. Der Minister für Umwelt, Landwirtschaft und den Ländlichen Raum, Jörg Vogelsänger, will wissen, was im Land los ist, ihn treibt es in die Region. Dieses Mal in den Oderbruch zu vier Stationen. Hajo Guhl chauffierte und berichtet.
Wir sind zu spät. Ein Panne im Protokoll hat uns in Erkner eine halbe Stunde zu spät starten lassen. Die Strecke und die Zeit sollten uns Gelegenheit geben aufzuholen. Das Navi von Jörg Vogelsänger kalkuliert die Route und gibt uns einen Zeitvorteil von 20 Minuten. Doch nicht die schlechten Straßen und Wege machen uns einen Strich durch die Rechnung, sondern die Umleitungen. Scheinbar überall wird gebaut. Es geht kreuz und quer über Wirtschaftswege und alte preußische Landstraßen. Kopfsteinpflaster, Sandweg an der Seite und Alleebäume, auf denen offenbar schon der Alte Fritz mit seinen Langen Kerls marschiert war.
Jörg gibt die Fahrt-Richtung vor und telefoniert. Zuerst kündigt er die Verspätung an. Dann geht es um Termine, Schreiben werden übers Smartphone vorbereitet. Er ruft Landtagsabgeordnete zurück. Der Minister ist an der langen Leine. Wir sind froh, als wir in Neulewien eine Stunde später als verabredet ankommen.
Station 1: Agrarproduktion Neulewien
Die Genossenschaft besteht aus 43 Gesellschaftern. Aus LPG-Zeiten oder den Nachfahren der zwangsenteigneten Bauern. Je nach Lesart. Rund 70 Arbeitnehmer gibt es im Betrieb und Umfeld. 1200 Hektar, Raps Mais Gerste. Die Rinderhaltung gab die Genossenschaft auf, als die Milchpreise im Keller waren.
Der einstige Einkommensgarant Zuckerrübe lohnt nicht mehr. Obwohl der schwere Boden des Oderbruchs ideal wäre. Die Zuckerraffinerien sind nicht mehr verpflichtet, die Ernte abzuholen. Die Kosten für den Abtransport macht den Anbau nicht mehr rentabel. Waren es vor ein paar Jahren noch 270 Tonnen, sind es in diesem Jahr 140 Tonnen Zuckerrüben. Tendenz weiter fallend.
„Unser Rekord liegt bei elf Tagen, in denen wir die gesamte Ernte einfahren konnten. Heute sind wir nach sechs Wochen immer noch damit beschäftigt“, berichtet die Landwirte. Kaum waren die Felder und das Getreide trocken, kam der nächste Regen. Jörg Vogelsänger kennt die Situation: „Ostbrandenburg hat wettermäßig noch Glück gehabt. Im Süden war es in den letzten Monaten deutlich schlimmer!“
Am liebsten hätten die Landwirte konkrete Vorgaben aus dem Ministerium. Doch Jörg Vogelsänger wiegelt ab. „Das können wir gar nicht leisten, das dürfen wir nach den EU-Bestimmungen auch nicht“. Die Neulewiener schauen jetzt bereits auf den Weltmarkt. Auf Nachfrage und Preise versuchten sich in diesem mit Zuckererbsen. Erfolgreich in diesem Jahr. Inzwischen können die Neulewiener auf 8000 Tonnen Getreide in ihren Silos zwischenlagern und je nach Nachfrage zu guten Preisen verkaufen. Ein Vorteil, der sich jetzt bezahlt macht. Sie setzen auch auf ein zweites alternatives Standbein: Bau und Dienstleistungen für die Gemeinde. Das sichert Arbeitsplätze übers Jahr.
Station 2: Wildgehege Wriezen
Das Wildgehege ist in Wriezen eine Institution in der Region. Selbst Menschen vom Lande wissen kaum, wie ein Fuchs, Marderhund oder Waschbär aussieht. Raubvögel wie Sperber, Habicht oder sind zu sehen. Sie leben in Volieren; sie sind blind oder verletzt. Würden in freier Wildbahn nicht überleben. Dazu kommen Wildschwein und Rehe.
Die Anfänge des Geheges lagen eigentlich in der Abrichtung von Jagdhunden. Die jungen Begleiter von Förster und Jäger müssen auch erst einmal lernen, wie ein Wildschwein riecht. Tierarzt und Wildgehege-Chef Wilfried Böttcher berichtet, dass der Verein die Fördermittel von 4000 Euro bereits erhalten hat. Dem neuen Zaun steht nun nichts mehr im Weg. Aus eigener Tasche kommen 1106 Euro noch einmal dazu. 15 Mitglieder sind derzeit im Wildgehegeverein aktiv, einige davon sind täglich auf dem Wirtschaftshof anzutreffen.
(Bericht wird fortgesetzt)
Beim Rundgang: Eckhard Peetz, Jörg Vogelsänger, Stephen Ruebsam SPD-Bundestagskandidat, Tierarzt und Gehegechef Wilfried Böttcher, Jutta Werbelow, Bürgermeisterkandidatin der SPD-Wriezen (v.l.) im Wriezener Wildgehege