Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig musste über die Zulässigkeit von Fahrverboten urteilen. Es ist zu dem Schluss gekommen, dass Kommunen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen können, wenn sie keine anderen Mittel zur Verfügung haben, um die Vorgaben zur Luftreinhaltung einzuhalten. Die genaue Begründung erfolgt in wenigen Wochen. Dhie Position der Sozialdemokraten (Von Jörg Vogelsänger.)
Welche Position hat die SPD im Deutschen Bundestag?
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Unser Ziel ist es, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vermieden werden. Sie müssen, wenn überhaupt, eine lokale Ausnahme bleiben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass dabei die Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Wir wollen die Kommunen dabei unterstützen, Maßnahmen zu ergreifen, die saubere Luft und bezahlbare Mobilität gleichzeitig sicherstellen. Es braucht vor Ort vor allem neue Mobilitätskonzepte.
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Dazu gehört ein Ausbau des ÖPNV (Busse und Bahnen) und des Radverkehrs,
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der Umstieg von Bussen, Taxen und Nutzfahrzeugen auf saubere Antriebe.
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Die Förderung gemeinschaftlicher Nutzung von Fahrzeugen.
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Die technische Nachrüstung von Euro 5 und Euro 6 – Fahrzeugen können einen substantiellen Beitrag leisten, sofern sie technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll sind.
Eine Herausforderung für alle
Das Urteil ist ein Warnruf an alle, die glauben, man könnte rechtlich verbindliche Grenzwerte einfach ignorieren. Wir werden dieses Urteil jetzt sehr genau prüfen. Die Bundesregierung und die Hersteller sind jetzt aufgerufen, die Verbraucher nicht im Regen stehen zu lassen.
Wir werden die Automobilindustrie hier nicht aus der Verantwortung lassen. Die von den Herstellern gezahlten Kaufprämien für Neufahrzeuge müssen von den Unternehmen erhöht werden, da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten können.
Bisher ist offen, wie viele Städte und Gemeinden von Fahrverboten als letzte Möglichkeit Gebrauch machen werden (Hamburg und Stuttgart könnten bereits dieses Jahr, Berlin im Jahr 2019). Es muss jetzt darum gehen, die Verantwortung der Automobilindustrie gegenüber den Verbrauchern zu klären und den Umstieg auf einen sauberen ÖPNV und Wirtschaftsverkehr in den Städten zu organisieren.
Hintergrund: Debatte um dicke Luft
Können Sie sich noch an diese Mischung aus dem Duft von Trabi und schwefelhaltiger, nasser Braunkohle erinnern, der noch vor 27 Jahren über dem Osten Berlins waberte? Von der hässlichen Dunstglocke des Chemiedreiecks rund um Leuna, Buna und Bitterfeld ganz zu schweigen.
Nur nicht überheblich werden, lieber Bundesbürger West! Der Ruhrpott stank bis Ende der 70er Jahre ebenfalls bis zum Himmel. Die Münchner Luft war bei Inversionslagen auch nicht alpenfrisch. Saubere Luft ist ein hohes Gut und wir sind es uns als Gemeinschaft schuldig für deren Reinhaltung zu sorgen. Wir können sonst nicht überleben.
Wie sieht es nun heute in den Ballungsgebieten der gesamten Bundesrepublik aus? Über Jahre können in den Kommunen (vor allem Stuttgart, Hamburg aber auch Berlin) an vielen Tagen die Grenzwerte vor allem für Stickoxyde und Russpartikel der EU aus den Jahr 2006 nicht mehr eingehalten werden.
Ein Fahrverbot, wie es das Bundesverwaltungsgericht den deutschen Kommunen zugesteht, gibt es anderswo längst. Oslo erlässt Fahrverbote für Diesel seit einem Jahr. London fordert horrende Summen für die Einfahrt in die City, München hat den Innenstadtverkehr mit heftigen Parkgebühren eingedämmt. Theoretisch könnten jetzt rund 30 Großstädte in Deutschland dichtmachen, wenn es die Situation erfordert.
Es ist nicht nur der Dieselskandal mit den Schummeleien bei Verbrauch und Abgasen, der dicke Luft macht. In Deutschland wurden zu Beginn des Jahres 2017 mehr als 55 Millionen Kraftfahrzeuge gezählt. Damit ist die Zahl der Kraftfahrzeuge wie PKW, Motorräder und LKW allein seit dem Jahr 2009 um rund sechs Millionen angestiegen. Vor allem in den Ballungsgebieten wird es enger (siehe Berlin). Die Zahl der dieselgetriebenen Laster steigt ständig (und parken in der zweiten Reihe).
Die Proteste sind alte Bekannte
Ein Fahrverbot sei der Anschlag auf die Freiheit und das Eigentum des Bürgers. So der Chef einer Freiheitlichen Demokratischen Partei. Der Mann hat wohl vergessen, dass Eigentum auch verpflichtet (Art. 14 Absatz, Grundgesetz). Ein Handwerker aus der Hauptstadt meinte, er habe seine Lieferwagen vor zehn Jahren mit Rußpartikelfiltern ausgestattet. Einen Umstieg auf neue Fahrzeuge mit aktueller Abgasnorm könne er nicht stemmen. Und das bei Abschreibungszeiten von sechs bis zehn Jahren (Afa-Tabelle). Der Mann betreibt einen Fuhrpark, den er ohnehin erneuern müsste.
Das Umdenken hat bereits begonnen
Die Zahl der jungen Menschen ohne Führerschein steigt seit Jahren. Sie verzichten bewusst auf ein Auto und setzen auf Busse und Bahnen. Denn in den Ballungszentren dieser Erde werden die Parkplätze knapp.
Carsharing ist billiger als der Besitz eines eigenen fahrbaren Untersatzes. Eine ordentliche betriebswirtschaftliche Kalkulation würde viele Singles jedoch Familien verblüffen. Die monatlichen Fixkosten auch für ein kleineres Auto liegen real betrachtet – also mit Wertverlust und Abschreibung (Rücklagen), Wartung und Versicherung – bei mehreren hundert Euro. Ohne einen Cent für den Sprit im Tank. Die Freude am Fahrzeug, das Prestige und das Gefühl der Freiheit beim Fahren einmal nicht berücksichtigt.
Abwracken ist jedoch auch keine Lösung. Betrachten wir die energetische Bilanz. Rund 60 Prozent der Energie, die ein Fahrzeug im Laufe seines Lebens benötigt, steckt in der Produktion des Vehikels. Kurz gesagt: Wer sein Auto zu früh wegwirft, verschleudert ebenfalls Energie.
Was also tun als braver Bürger, der seinen Beitrag zur sauberen Luft leisten möchte?
Überlegen Sie zum Beispiel auf welche (gewohnten) Fahrten Sie verzichten können. Liegt Ihr Arbeitsplatz weniger als 12 Kilometer entfernt, lohnt sich der Umstieg aufs Fahrrad, zum Beispiel ein E-Bike! Sie umfahren den Stau nicht nicht nur im Berufsverkehr, Sie helfen sogar, ihn zu vermeiden.
Planen Sie ihre Fahrten! Koppeln Sie notwendige Fahrten zum Arbeitsplatz mit Einkaufstouren etc. Organisieren Sie Fahrgemeinschaften und Nachbarschaftshilfe…
Es sind die Kleinigkeiten, die wir selbst betragen können, unsere Atemluft wieder atembarer zu machen. Um den großen Schaden an unserer Umwelt muss sich natürlich die Politik kümmern. Beseitigen müssen den „Dreck“ natürlich die Urheber und Verursacher. Nicht nur der Steuerzahler und Verbraucher.