Begegnung in Hoppegarten: Treffpunkt der Willkommensinitiative
Jörg Vogelsänger besuchte vor einigen Tagen die Willkommensinitiative Hoppegarten. Diese lud zum Begegnungscafé mit den Geflüchteten. Der Landtagsabgeordnete des Wahlkreises 31 machte sich ein Bild über die Arbeit der ehrenamtlichen Unterstützer. Mit im Gepäck: Ein Beutel voller Brotbüchsen und diverser Küchenutensilien. Dringend benötigte Gebrauchsgegenstände des Alltags, die fehlen. Reporter Christian Stauch hörte sich um.
Am einfachsten haben es die Kinder. Die Mädchen und Jungen gehen ein paar Wochen in die Kita und schon haben sie die wichtigsten Vokabeln aufgeschnappt. Die Grammatik kommt von alleine. Auch die kleinen Schülerinnen und Schüler in den Integrationsklassen lernen die deutsche Sprache in atemberaubendem Tempo. Bei dem Treffen im Begegnungscafé schwatzten sie munter drauf los.
Der Ehrgeiz der ersten Stunde
Auch die ersten Klassen mit erwachsenen Flüchtlingen lernten äußerst engagiert. Sie wollten die Sprache unbedingt lernen. Und taten es auch. Noch heute erhalten die Lehrerinnen und Lehrer zahlreiche E-Mails ihrer Sprachschüler. Auch eine Form des Dankes: Die einstigen Schüler halten ihre Lehrer auf dem Laufenden und das obwohl einige von ihnen längst fortgezogen sind. Sie sammeln erste Berufserfahrungen und versuchen sich in Deutschland neu zu orientieren.
Heute klagen die meist ehrenamtlichen Lehrer über mangelnden Lernwillen ihrer Schüler. Die Klassen werden spärlciher besucht. Viele der Jugendlichen haben in den Kriegsgebieten über Jahre keine Schulklasse von innen gesehen, geschweige denn einen ausgebildeten Lehrer. Die Betreuer in den Heimen weisen auf die Langeweile ihrer Schützlinge hin: Sie warten auf eine Entscheidung der Behörden.
Rückblick: Das Jahr der Flüchtlinge
Rund ein Jahr ist es her, als die Menschen in Scharen aus Syrien, dem Irak und auch aus Afghanistan nach Europa flüchteten. Die Bilder von den langen Märschen, den eingezäunten Lagern, den elenden Überfahrten übers Mittelmeer, den Ertrunkenen sind noch allgegenwärtig.
Das Jahr 2015 ist als das Jahr der „Flüchtlingskrise“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Wie viel Mitmenschlichkeit Europa und mittendrin Deutschland vertragen kann, darüber wird bis heute heftig debattiert. Der Streit hat die politische Landschaft in ganz Europa verändert, die Union der Nationen droht daran zu scheitern.
Die Emotionen kochten hoch: Von euphorischen Empfängen für die der Flüchtlinge auf den Bahnhöfen bis hin zu den dumpfen Parolen wie „Das Boot ist voll“ und nationalem Gegröle reichte die Palette. Dazwischen die Politik, die krampfhaft ein Lot, eine Mitte finden wollte. Und die Ausländerbehörden, Sozialdienste und die anderen Ämter, die zugegebenermaßen Schwierigkeiten hatten, die ankommenden Menschen in akzeptablen Einrichtungen unterzubringen.
Umso bemerkenswerter ist es, dass sich viele Menschen in Brandenburg, aber auch in ganz Deutschland ehrenamtlich um die Flüchtlinge kümmerten und bis heute kümmern. Fürsorglich und hingebungsvoll, aber auch nicht blind.
Jörg Vogelsänger: „An dieser Stelle möchte ich mich bei der Willkommensinitiative Hoppegarten mit ihren vielen Sportangeboten, den unterschiedlichen Arbeitsgemeinschaften und für die zahlreichen Veranstaltungen, sowie allen anderen ehrenamtlich tätigen Menschen bedanken. Die Arbeit, die diese Menschen leisten, wäre selbst mit Geld nur schwer aufzuwiegen. Dank gilt auch denjenigen, die für Flüchtlinge und andere Hilfsbedürftige spendeten“.
Panikmache und unbegründete Ängste
In Hoppegarten wurde Ende 2014 eine vorübergehende Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Hotel in der Köpenicker Straße eingerichtet. Sie beherbergte rund 240 Menschen, vorwiegend Syrer. Die Protestwelle war groß und viele Männer und Frauen zeigten sich verunsichert und verängstigt. Prophezeit wurden Vergewaltigungen und andere schwere Straftaten. Der „besorgte Bürger" hatte Unrecht: Eingetreten ist nichts davon. Heute ist die Flüchtlingsunterkunft in der Köpenicker Straße einer anderen Unterkunft in der Handwerkerstraße gewichen. Dort leben jetzt etwa 150 Geflüchtete.
Willkommenskultur in Hoppegarten
Die Willkommensinitiative Hoppegarten ist ein Zusammenschluss von ehrenamtlich tätigen Bürgern, die gesehen haben, wie dringend die Hilfe benötigt wird. Bereits Ende 2014, als klar wurde, dass eine Flüchtlingsunterkunft in Hoppegarten entstehen soll haben sich viele Menschen aus der gesamten Region zusammengefunden und eine Willkommensinitiative gegründet. Sie organisiert sich bis heute nicht über einen Verein, sondern über die eingerichtete Homepage. Ein Netzwerk, das funktioniert! Mit engagierten Unterstützern aus Strausberg über Schöneiche und Neuenhagen, Hoppegarten bis hin nach Berlin. Viele haben heute auch eine Patenschaft übernommen und sind von einer indirekten Arbeit mit den Flüchtlingen innerhalb der Initiative zu einer direkten Arbeit mit Geflüchteten übergegangen.
Willkommen im organisierten Deutschland
Die Willkommensinitiative Hoppegarten hat mehrere Arbeitsgemeinschaften gegründet. Unterschiedlichste Bereiche durch die AG´s Kleiderkammer, Deutsch lernen, Fahrradwerkstatt, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit, Kinderbetreuung sowie die AG Alltagslotsen und Patenschaften werden abgedeckt. Sie alle sollen den Flüchtlingen auf dem Weg in ihr neues Leben helfen und manche tragen zugleich pädagogischen und einen Werte vermittelnden Charakter. Fahrräder werden nicht einfach bereitgestellt. Wenn jemand ein Fahrrad haben möchte, muss er einen kleinen Beitrag von zehn Euro zahlen. Selbstverständlich ist das ein geringer Preis für Mobilität und ein Fahrrad überhaupt, allerdings wird so gleich vermittelt, wie die Gesellschaft sich in Deutschland organisiert. Dinge kosten Geld. Mit den zehn Euro werden dann neue Teile für andere, kaputte Fahrräder gekauft. Auch werden die Flüchtlinge hier direkt in die Arbeit eingebunden.
Grundlage ist nun mal die deutsch Sprache
An anderer Stelle haben sich neun pensionierte Lehrer und Pädagogen bereit erklärt, den Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Anfangs waren es drei Lehrer - vorwiegend lehrten sie naturwissenschaftliche Fächer - die den Sprachkurs anboten. Hierbei geht es nicht darum, den Menschen fließend Deutsch beizubringen, sondern vielmehr um die ersten Schritte, die für die Integration so wichtig sind und eine vernünftige Verständigung überhaupt erst ermöglichen. Was diese Pädagogen vermitteln ist nicht nur Sprache, sondern auch Lebenshilfe, bis Plätze in den staatlichen Sprachkursen in Berlin oder Strausberg frei werden. Sie helfen auch an anderer Stelle und begleiten zu Behörden und vieles mehr. Da stellt man sich auch die Frage, wie funktioniert das, einem Menschen, der kein Wort Englisch oder Deutsch spricht, unsere Sprache zu vermitteln? Teilweise mit Händen/Füßen und Bildern. Und noch viel wichtiger: Permanentes Wiederholen von Sätzen. Ich heiße, du heißt usw. sind die ersten Grundsteine der Integration. Sie sind auch Stolz auf das bereits erreichte.
Unterschiede in der Berufsausbildung
Zudem gibt es auch Flüchtlinge, deren Berufsangabe durchaus kritisch hinterfragt werden muss. Eine Berufsausbildung in Syrien führt allerdings auch nicht gleichermaßen zu den geforderten Kenntnissen im Beruf in Deutschland. Die Flüchtlinge müssen ihre Prüfung hier erneut ablegen und gegebenenfalls viele Punkte der Berufsausbildung/ des Studiums wiederholen.
Vom Recht des Clan-Chefs in die deutsche Justiz
Recht wird im Nahen Osten häufig von Clan-Oberhäuptern gesprochen. Bei kleineren Streitereien in der Familie oder im Dorf mischt sich der Staat erst gar nicht nicht ein. Ein grundsätzlicher Gegensatz zum deutschen Rechtssystem mit seinem allumfassenden Anspruch. Manchmal schwer zu verstehen für die Geflüchteten, besonders wenn sie vom Land kommen, aber dennoch eine Notwendigkeit, um sich in Deutschland zurecht finden zu können.
Willkommensinitiativen in Brandenburg
http://www.willkommen-in-brandenburg.org/willkommen/willkommensinitiativen-in-bb/