Eine Liebesheirat wird eine Koalition zwischen Parteien und Politikern nie sein. Schon gar nicht beim dritten Aufguss einer GroKo zwischen den Sozialdemokraten und dem Christlichen Lager. Diesen ist es gelungen, ein gültiges Koalitionspapier zu formulieren. Auf über 170 Seiten stehen Absichtserklärungen und defintive Vorhaben.
"Jetzt entscheidest Du, Genosse!" So heisst es im Anschreiben aus der Berliner SPD-Zentrale: "Du entscheidest, ob die SPD für diese Inhalte in eine Bundesregierung eintritt."
Der Parteivorstand hat inzwischen für ein Abstimmungsende am 2. März beschlossen. Damit eine Stimme sicher zählt, sollte der Brief bis zum 27. Februar in die Post gegeben werden.
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat sich in einem Mitgliederbrief (nicht nur) an die Genossen seines Bundeslandes gewandt. Leidenschaftlich plädiert er für ein Ja zum Koalitionspapier. Lesen Sie selbst:
"Wir alle sind irgendwann in die SPD eingetreten, weil wir uns für die Idee einer gerechten Gesellschaft begeistert haben - die Idee einer Gesellschaft mit Zusammenhalt und sozialer Sicherheit, mit Teilhabe und Lebenschancen für alle. Diese große Idee ist der Leitstern, an dem wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns orientieren. Die Chance, diesen Zielen ein gutes Stück näher zu kommen, sollten wir nicht in den Wind schlagen. Sie kommt vielleicht so schnell nicht wieder.
Die Verhandlungen mit CDU und CSU waren ganz sicher keine einfache Strecke. Aber es hat sich gelohnt, diesen schwierigen Weg unbeirrt zu gehen. So konnten wir Ergebnisse durchsetzen, mit denen gerade Brandenburger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr zufrieden sein können. Seit vielen Jahren betreiben wir unsere vorsorgende Sozialpolitik nach dem Motto "Kein Kind zurücklassen". Die Bildungs- und Aufstiegschancen aller Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zu stärken - darum geht es uns.
Jetzt endlich ist es uns gelungen, CDU und CSU auf diesem Gebiet entscheidende Zugeständnisse abzutrotzen: Der Bund wird in Zukunft gezielt in Schulen investieren, in den Ausbau von Ganztagsschulen und in gebührenfreie Kitas, in hochwertige berufliche und digitale Bildung, in unsere Berufsschulen genauso wie in unsere Hochschulen. Zugleich sollen die Leistungen des BAföG ausgebaut und verbessert werden. Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag werden erhöht.
- Mehr Fairness, Teilhabe und Sicherheit haben wir auch auf weiteren wichtigen Gebieten durchgesetzt. Ich nenne Euch nur einige Beispiele:
- Bis 2025 wird das Rentenniveau nicht unter 48 % fallen, der Beitragssatz nicht über 20 % steigen.
- Die Grundrente 10 % oberhalb der Grundsicherung wird eingeführt.
- Arbeitnehmer werden zur Krankenversicherung künftig keine höheren Beiträge mehr zahlen als ihre Arbeitgeber.
- Die Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund wird deutlich eingeschränkt.
- Die Investitionen in Gesundheit und Pflege, Verkehrswege und öffentliche Infrastruktur werden deutlich erhöht.
- Der soziale Wohnungsbau wird dauerhaft auf hohem Niveau gefördert, die Mietpreisbremse wirksam nachgeschärft und ein "Baukindergeld" eingeführt.
- Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder werden weiter kräftig gestärkt.
- Eine bessere ärztliche Versorgung. Ärztinnen und Ärzte in wirtschaftlich schwachen und unterversorgten ländlichen Räumen werden über regionale Zuschläge besonders unterstützt.
- Mehr Geld in der Tasche für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Der Soli für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen fällt weg. Beschäftigte und Arbeitgeber zahlen wieder den gleichen Beitragssatz zur Krankenversicherung.
- Eine Mindestausbildungsvergütung stärkt die berufliche Bildung und schafft einen Mindestlohn auch für Azubis.
Maßgeschneiderte Erfolge haben wir in den Koalitionsverhandlungen auch für Ostdeutschland und Brandenburg durchgesetzt. Ein neues gesamtdeutsches Fördersystem wird strukturschwache Regionen unterstützen. Bei der Energiewende behalten wir Klimaschutz, sichere Versorgung, Bezahlbarkeit und die Interessen der Bergbauregionen im Blick. Gemeinden, in denen Anlagen der Erneuerbaren Energien errichtet werden, werden daraus einen echten finanziellen Vorteil ziehen. Und die ostdeutschen Bundesländer erhalten bei ihren Anstrengungen in der Wissenschafts- und Innovationspolitik besondere Unterstützung.
Manchen in unserer Partei ist das alles nicht genug. Die sprichwörtliche Taube auf dem Dach ist ihnen lieber als der angebliche Spatz in der Hand. Ihnen rufe ich zu: Was wir gemeinsam in den Verhandlungen erreicht haben, ist weit mehr als ein "Spatz in der Hand". Vielmehr sind unsere Ergebnisse in ihrer Summe eine echte Trendwende. Sie bedeuten mehr Sicherheit, mehr Schutz und mehr Förderung. Sie werden mithelfen, das Leben unzähliger ganz normaler Menschen überall in Deutschland - auch hier bei uns in Brandenburg - Stück für Stück besser, lebenswerter und sicherer zu machen. Genau darin liegt der historische Auftrag der Sozialdemokratie.
Deshalb bitte ich Dich heute herzlich: Entscheide Dich bei der Mitgliederbefragung für Gestaltung und Verantwortung. Millionen Menschen in Deutschland erwarten, dass wir ihre Interessen durchsetzen helfen. Lassen wir sie nicht im Stich!"
Mit solidarischen Grüßen
Dietmar Woidke