Junge Störe kommen wieder in die Havel. Umweltminister Jörg Vogelsänger ist bei der feierlichen Aktion dabei. Wer heute an Stör denkt, meint meist Kaviar aus Persien oder Russland. Dabei ist der Knochenfisch ein 200 Millionen Jahre altes lebendes Fossil, das bis in die Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts auch in brandenburger Flussläufen anzutreffen war. Jetzt sollen die "Acipenseridae" wieder heimisch werden. Viel Geduld ist notwendig.
Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger hat gemeinsam mit Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, Jörn Gessner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei sowie zahlreichen Potsdamer Schülern 250 junge Störe in der Havel ausgesetzt. Von dort treten die Fische ihre große Reise in Richtung Nordsee an.
„Das Wiederansiedlungsprojekt ist ein wirksamer Beitrag zum Artenschutz“, sagte der Minister. „Doch es ist bis zum Aufbau einer stabilen, sich selbsterhaltenden Population noch ein langer Weg. Wissenschaftler wie auch Fischer und Angler müssen sehr viel Geduld und die jungen Störe viel Glück auf ihrer langen Reise haben, ehe der erste reguläre Fisch geangelt werden kann.“
Störe gehören – nicht zuletzt wegen des Kaviars – zu den meistbegehrten, zugleich aber auch zu den am meisten gefährdeten Speisefischen. Grund hierfür sind ihr langer Lebenszyklus und ihre vielfältigen Lebensraumansprüche. Nachdem sie fast ein halbes Jahrhundert aus unseren Flüssen verschwunden waren, sollen die Fische nun wieder in Brandenburg heimisch werden. Dies wird aber noch Jahrzehnte dauern. „Die Wiederansiedlung des Störs gelingt nur, wenn Besatzmaßnahmen wie die heutige kontinuierlich weitergeführt werden“, sagt Vogelsänger.
Jahrelange Reise in Richtung Atlantik und zurück
Die markierten Tiere sollen von hier aus ihre Reise in die Nordsee antreten, von der sie nach etwa 15 Jahren zum ersten Mal zum Laichen in ihre neuen Heimatgewässer zurückkehren werden. Der Landesfischereiverband Brandenburg ist als Projektpartner mit im Boot: Die intensive Zusammenarbeit mit den Berufsfischern und Anglern ermöglicht das Monitoring der Störe. Mit der Markierung ist auch die Bitte an die Fischer verbunden, zufällig gefangene Tiere schonend zurückzusetzen und die Fänge zu melden.
Diese Fangdaten helfen wiederum Wissenschaftlern am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, die Wanderungen und das Wachstum der Tiere nachzuvollziehen und geben so wichtige Informationen über den Erfolg des Wiedereinbürgerungsprogramms. Aktuell untersuchen die Forscher vor allem Parameter zur Lebensraumnutzung der Tiere, die Auswirkung von Umweltfaktoren und die Identifizierung von Gefährdungspotenzialen.
200 Millionen Jahre alte Vorfahren
Der Stör ist ein Fisch mit gleich mehreren Superlativen: Er ist der größte europäische Wanderfisch – ein Wanderer zwischen Flüssen, Seen und Meeren und in Anbetracht seiner Evolutionsgeschichte auch ein Wanderer zwischen den Welten. Als lebendes Fossil besiedelt er bereits seit 200 Mio. Jahren die Erde. Er kann, wenn man ihn lässt, auf eine Länge von bis zu fünf Metern heranwachsen und ist damit unser größter Süßwasserfisch. Schließlich kann er auch ein beeindruckendes Lebensalter aufweisen. Über einhundert Jahre alte Tiere wurden schon nachgewiesen.
Die heute bekannten 27 Arten sind fast alle gefährdet oder vom Aussterben bedroht. In vielen Fällen ist das Überleben nur noch durch die Nachzucht in Haltung möglich.
Der letzte Stör soll in Berlin 1868 an der Kurfürstenbrücke gefangen worden sein. An der unteren Havel wird von Einzelfängen noch bis in die 1930er Jahre berichtet, ehe Wehranlagen diesem Wanderfisch den Weg versperrten.
Bundesweiter Forschungsverbund
Für die Wiedereinbürgerung des Störs haben sich bundesweit Wissenschaftler, Praktiker, Vereine und Behörden zusammengeschlossen. Im Zuge der Verbesserung der Wasser- und Gewässerqualität wurde auch mit Versuchen und Projekten zur Wiederansiedlung des Störs begonnen. Seit Mitte der 1990-er Jahre ist am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin ein Laichfischbestand des Europäischen Störs im Aufbau. Die Tiere stammen ursprünglich aus einem Restbestand in der Gironde in Frankreich. Im Jahr 2008 erfolgte der erste Stör-Besatz an der Elbe bei Lenzen. Seitdem wurden 18.000 kleine Störe in die Elbe und ihr Einzugsgebiet besetzt.