Aktueller Fuhrpark der Berliner S-Bahn, Foto: S-Bahn Berlin GmbH, J. Donath
Silvester/Neujahr 1989-90: Im Tränenpalast am S-Bahnhof Friedrichstraße quetschen sich die Bundesbürger zum letzten Mal durch die Katakomben des Grenzübergangs. Stoisch mit unbewegten Gesichtern stempeln die Grenzer den Eintritt in die sozialistische Hauptstadt auf deutschem Boden in die Westpässe. Ohne Umtausch von 20 DM-West. Es sind die letzten Einträge. Werden Trophäen. Die Berliner Mauer ist längst löchrig. Platten sind entfernt, die Zugänge eingerichtet. Es ist Aufbruchstimmung. S-Bahn-Fahrer machen in diesen Tagen Überstunden ohne Ende, bringen die aufgedrehten Menschenmassen an die Orte, wo gefeiert wird. Auch im Westteil ist es plötzlich wieder proppenvoll.
Salopp gesagt: Die DDR war pleite. Die Supermacht Sowjetunion ebenfalls. Der brüderliche Schutzschirm wird eingeklappt. Die GUS ziehen aus ihren Garnisonen in den nächsten Jahren ab.
Willy Brandt, inzwischen todkrank, erlebt seine politische Vision noch. Es ist kein Schuss gefallen: Weder in der DDR noch an diesem antifaschistischen Schutzwall, der eiserne Vorhang fällt in sich zusammen. „Es wächst zusammen, was zusammengehört“, kommentiert der ehemalige Regierende Bürgermeister der Frontstadt Berlin und Kanzler einer sozial-liberalen Koalition, der sozialdemokratische Vordenker der Überwindung von Stacheldraht und Ideologien. „Wir sind das Volk“, hatten DDR-Bürger im Herbst 89 mit zunehmender Lautstärke zuerst in Leipzig und dann auch in den anderen Städte skandiert. Der Rest ist Geschichte...
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde auch das Schienennetz der S-Bahn wieder zusammengeschlossen wie es 1961 bestand. Vor allem in das Brandenburger Umland, sollte schnell eingebunden werden. Die Bürger begannen zu pendeln, zwischen Arbeitsplatz in der Stadt und Leben in der Region.
Die geteilte Stadt scheint im Eiltempo zusammenzuwachsen. Zwischen Lehrter Stadtbahnhof, Reichstag, Brandenburger Tor, Potsdamer Platz, Leipziger Platz und darüber hinaus beginnt der sichtbarste Teil des Aufbaus. In diesem Gewühl wird Beton gegossen, Grundwasser abgepumpt, gebaut und gebaut.
Es waren die unterschiedlichsten Projekte und Baulose, die Ingenieure, Bauleiter und Arbeiter angingen. Mit Blick auf heute: Man könnte fast neidisch werden, wie das alles – sicher nicht reibungslos – abgelaufen ist.
Für zwei große Städte, die eine Metropole werden sollten, war das bestehende S-Bahn-Netz – wenn auch marode und technisch in die Jahre gekommen – ein Glücksfall. Alle Grundstücke waren vorhanden, die Planungen mit S-Bahn-Ring, Durchstich durch das Zentrum und die spinnenartige Struktur bereits in den Dreißiger Jahren abgeschlossen. Es sollte ans Sanieren und Modernisieren gehen. Was daraus wurde, wissen wir heute.
Rückblick auf den entscheidenden Tag. Günter Schabowski murmelte auf der berühmten Pressekonferenz „soweit ich weiß, ab heute“. Nur Stunden später, in der Nacht des 9. November.1989 fiel die Berliner Mauer. „Wahnsinn!“
Wenige Tage später ging es sofort daran, die unterbrochene Verkehrsinfrastruktur wieder herzustellen. Am 2. Juli 1990 fuhr die S-Bahn wieder direkt vom Bahnhof Friedrichstraße in Richtung Zoologischer Garten und Westkreuz ohne „Umweg“ durch den Tränenpalast.
Danach erfolgte die Wiedereröffnung der Tunnelbahnhöfe auf der Nord-Süd-Bahn, also Gesundbrunnen – Anhalter Bahnhof. Es war ein gespenstisches Erlebnis in diese über 28 Jahre verwaisten Bahnhöfe zu gehen. Ein merkwürdiger Schmierfilm auf den Bahnsteigen. Werbung aus den Tagen des August 1961 hing an den Wänden. Die Kioske von einem Tag auf den anderen verlassen.
Wie sieht es aus auf der Strecke?
Am 1.4.1992 wurde die Strecke Wannsee – Potsdam für den S-Bahnbetrieb freigegeben. Damit fuhr zugleich nach über 30 Jahren wieder eine S-Bahn zwischen Erkner und Potsdam. Auch heute ist diese Strecke mit ihren 70 Kilomtern die längste des S-Bahnnetzes.
Weitere Lücken schlossen sich: Im Jahre 1992 zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf (Strecke nach Oranienburg) und zwischen Lichtenrade und Blankenfelde. Im Jahr 1993 wird der Südring (Baumschulenweg – Westkreuz – Westend) wieder in Betrieb genommen. Auf der Strecke Erkner – Potsdam ermöglicht der Bau eines zweiten Gleises zwischen Teltowkanalbrücke und Griebnitzsee einen Zehn-Minutentakt von und nach Potsdam. Die S-Bahnzüge fahren von Potsdam im Wechsel nach Erkner bzw. Ahrensfelde. Der Zehn-Minutentakt nach Erkner wird durch zusätzliche Züge ab Hauptbahnhof sichergestellt.
Nach erfolgreichem Kampf (auch mit dem jungen Landtagsabgeordneten Jörg Vogelsänger) hält ab 1998 der Regionalexpress jede Stunde in Erkner. Bereits ab 1999 kommt der 30-Minuten-Takt für den RE1 in Erkner und weiter nach Frankfurt/Oder
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Damit entstehen Direktverbindungen unter anderem nach Magdeburg, Burg bei Magdeburg, Wusterwitz, Brandenburg (Havel), Potsdam, Berlin und weiterhin nach Fürstenwalde, Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt. Jetzt hält der RE1 sogar in Berlin-Ostkreuz.
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Die S-Bahn fährt bis Berlin-Spandau. Auch dies ist sinnvoll, da der RE1 die Direktverbindung nach Potsdam sicherstellt.
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Viel investiert wurde auch im Umfeld des Bahnhofes Erkner. Der Vorplatz ist neu gestaltet, viele Park&Ride- und Bike&Ride-Plätze sind entstanden. Sogar eine öffentliche Toilette haben wir. Weitere Investitionen für den Ausbau, Sanierung und Modernisierung sind angesagt. Hier gilt es für Bürger und deren Vertreter, die Politik, am Ball zu bleiben.
(Ein besonderer Tipp heute ist übrigens die Landesgartenschau 2018 in Sachsen-Anhalt in Burg bei Magdeburg. Das Gelände beginnt direkt am Bahnhof. Mit dem RE1 ist man unter zwei Stunden direkt in Burg bei Magdeburg.)
Die 90er Jahre: Aufbau der Berliner S-Bahn
Mit Fusion von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn zur Deutschen Bahn AG gingen am 1. Januar 1994 die Betriebsrechte für die West-Berliner Strecken der S-Bahn von der BVG an die Deutsche Bahn AG über.
Für die Juristen: Die S-Bahn Berlin GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der DB Regio AG. Diese ist Teil der DB Mobility Logistics AG, in der die Mobilitäts- und Logistikaktivitäten der Deutschen Bahn AG zusammengefasst sind.
Am 1. Januar 1995 wurde die S-Bahn Berlin als GmbH gegründet. Nach der Zuordnung zum Geschäftsfeld DB Stadtverkehr kam die S-Bahn Berlin im März 2010 unter das Dach der DB Regio AG, unter dem alle S-Bahnen des Konzerns zusammen gefasst sind.
In der nächsten Folge (7) lesen sie von Technik, Pannen und Verspätungen