Von einem „Provisorium seit dem Jahre 1944“ sprechen Kritiker. Überforderten Managern, verfehlter Sparsamkeit, unausgereiften neuen Fahrzeuge und vor allem maroder, veralteter (analoger) Technik. Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin (2001 – 2014) titulierte seine Stadt (durchaus berechtigt) als „arm aber sexy“. Für die Problem geplagte, aber aufregende junge Hauptstadt hatte Wowi das wohl auf den Punkt gebracht. Für die krisengeschüttelte Schnellbahn galt wohl nur „arm“!
Nun soll alles soll besser werden! So das Versprechen. Mit der groß angelegten Qualitätsoffensive PLUS mit ihren 180 Bausteinen soll die S-Bahn wieder in die erste Liga der europäischen Nahverkehrssysteme aufsteigen. Der hatte sie seit den Neunziger Jahren nach der Wiedervereinigung von Fuhrpark, Gleisen und Mitarbeitern schon einmal angehört. Bis zum Jahr 2008, dem Beginn der Krise. Was war geschehen?
König Kunde muss warten
Mit voller Härte bekamen das die Fahrgäste im Winter 2008 zu spüren. Mit sinkenden Temperaturen fielen die Züge einfach aus. Das große Bibbern und Fluchen auf den Bahnsteigen begann.
Der 1. Mai 2009 ist für viele Beobachter der Beginn der eigentlichen S-Bahn-Krise. Im Bahnhof Kaulsdorf entgleiste eine S-Bahn der Baureihe 481. Eine Radscheibe war zerborsten. Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) legte daraufhin einen Großteil der Flotte still. Räder und Achsen waren nicht vorschriftsgemäß kontrolliert worden.
Nur noch 165 der insgesamt 632 Viertelzüge der Baureihe 481 waren einsatzbereit. Die S-Bahn sprach von einer Fahrzeugkrise, ausgelöst durch herstellerbedingte Fahrzeugmängel aber auch Fehler des Managements. Der Verkehr brach weitgehend zusammen. Zwischendurch wurde jeder ausrangierte Zug, der noch rollen konnte, wieder auf die Gleise geschickt.
Meckern gehört nun mal zur Berliner Folklore. Da bekommt die S-Bahn ihr Fett weg. Allzu häufig zu recht. „Jedes mal wenn gegen Jahresende vollkommen überraschend der Winter einbricht, bekommt das Staatsunternehmen regelmäßig Probleme, den selbst gesteckten Fahrplan aufrecht zu erhalten“. So der Tenor auf den Bahnsteigen.
Im Fokus der Qualitätsoffensive von 2018 stehen jetzt "höhere Pünktlichkeit, eine bessere Qualität - und damit mehr Kundenzufriedenheit".
Der Kunde würde von den vielen Baumaßnahmen und den technischen Änderungen nicht viel spüren, nur die Ergebnisse, so das Versprechen.
Türen sollen automatisch öffnen
Manchmal sind es Kleinigkeiten mit großer Wirkung über die Strecke. Die Türen der S-Bahn der Baureihe 481 soll der Fahrer an den Bahnhöfen automatisch öffnen. Das spart wertvolle Sekunden, wenn Fahrgäste nicht selbst auf die Türöffner drücken müssen. Dahinter steckt auch die Beseitigung von störanfälligen Türrelais bei der Baureihe 481. Maßnahmen zur Vermeidung von den üblichen Zugausfällen bei Hitze sind ein weiterer Punkt.
Es wird Zeit für Wirkungsvolles: Auch im Frühjahr dieses Jahres kamen Züge zu spät an oder waren ganz ausgefallen, hauptsächlich wegen Signalstörungen - ein Zeichen für die immer noch veraltete Infrastruktur. Der Qualitätsbericht des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB)berichtet von einer Quote von 94,7 Prozent pünktlicher Züge im Jahr 2017. Im Jahr zuvor waren es noch 95,5 Prozent. Vereinbart sind 96 Prozent. Dabei werden Verspätungen unter vier Minuten noch nicht einmal mitgezählt - im Sinne des Vertrags des Berliner Senats mit der Bahn gelten sie gar nicht als Verspätung.
Die Berliner S-Bahn ist neben der Hamburger Schwester die älteste in Deutschland - sie hat auch die meisten Bahnhöfe (166) und die meisten Fahrgäste (1,4 Millionen täglich). Tendenz steigend.
Die Berliner S-Bahn-Flotte wird deshalb in den kommenden Jahren deutlich verjüngt. Auf dem Teilnetz Ring/Südost werden ab dem Jahre 2021 neue S-Bahnzüge rollen. Dafür sind 382 neue S-Bahn-Wagen in Auftrag gegeben: 21 Zwei-Wagen-Triebzügen (Baureihe 483) und 85 Vier-Wagen-Triebzügen (Baureihe 484) werden auf der Ringbahn und den südöstlichen Zulaufstrecken eingesetzt. Hersteller der Fahrzeuge ist ein Konsortium der Unternehmen Siemens und Stadler. Sie produzieren in der Region Berlin-Brandenburg. Sie garantieren hohe Einsatzqualität über 30 Jahre. Gute Voraussetzungen! Gutes Gelingen! Zum Wohle von Fahrgästen und deren Nervenkostüm.
Nachtrag: Autonom fahrende Busse und Autos. Fahrten nach Wunsch und nicht nach Fahrplan. Service für den Fahrgast von Haus zu Haus. E-Bikes gegen Staus im Berufsverkehr. Radschnellwege und Lieferketten (sprich Fahrzeuge und Alternativen) in Ballungszentren ohne Verbrennungsmotoren. Motto: Elektromotor versus Diesel.
Niemand will das Individualfahrzeug pauschal verdammen. Dennoch müssen umweltschonende und platzsparende Alternativen her. Neue Konzepte für den Pendelverkehr zwischen Land und Stadt müssen dringend entwickelt werden.
Die Wünsche und Visionen zum Thema Mobilität speziell in den Ballungsräumen sind gegenwärtig zahlreich. Es geht um (gesunde) Luft zum Atmen und dem Kampf gegen die weltweite Blechlawine namens Auto. Die autogerechte Stadt nach den Vorbild von Los Angeles (USA) ist ein Irrweg.
Die Politik kann und sollte hier Rahmenbedingungen vorgeben und Wege ebnen. Oder Fehlentwicklungen aufhalten. Die technische Entwicklung ist ohnehin zu schnell, um regulierend einzugreifen. Manches, was gegenwärtig durch Gazetten und Fachzeitschriften geistert, liest sich allerdings wie Science Fiction aus dem frühen letzten Jahrhundert.
Eins ist sicher: Die S-Bahn wird dabei sein. Gerade zwischen Erkner und Potsdam.