Für deutsche Verhältnisse klingt die Entscheidung der Ärzte wie eine Sensation. Doch in der Europäischen Union ist Telemedizin seit einigen Jahren zugelassen. Im Prinzip jedenfalls. Vor allem dünn besiedelte Länder wie Schweden oder Norwegen sind da schon wesentlich weiter. Lange Anfahrtswege zum Arzt, so es das Krankheitsbild erlaubt, können entfallen.
Beispiel Schweiz: Der Patient ruft von zu Hause aus im medizinischen Callcenter an. Er nennt seine Personalien und schildert die Krankheitssymptome. Ein Arzt ruft zurück, stellt die Diagnose, schlägt dem Anrufer eine Behandlung vor und stellt auch das Rezept samt Krankschreibung aus. Selbst eine Überweisung an einen Facharzt klappt – und das rund um die Uhr an jedem Tag des Jahres. In der Schweiz ist dieses Modell seit 17 Jahren gängige Praxis. Der Anbieter Medgate hat seit Gründung knapp 5,5 Millionen Patienten in bis zu 5000 Telekonsultationen täglich behandelt.
Die deutsche Ärztekammer hat mit ihrer Entscheidung also nur das vollzogen, was europaweit längst üblich ist oder etabliert wird. Für ein Flächenland wie Brandenburg mit den fehlenden Hausärzten in den kleinen Dörfern und Amtsgemeinden wäre die Telemedizin eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen Arztbesuch. Zu den möglichen Auswirkungen für Brandenburg erklärt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Britta Müller:
„Der Beschluss ist der erste Schritt in Richtung Fernbehandlung. Das ist eine große Chance für ein Flächenland wie Brandenburg. In Zukunft könnten zum Beispiel Hausärzte Onlinesprechstunden anbieten. Diese sollen und können natürlich nicht den persönlichen Kontakt ersetzen, sondern eine zusätzliche Möglichkeit für Patienten und Mediziner eröffnen, bei weiten Wegen den Kontakt zu pflegen."
Wichtig sei jetzt eine Analyse, inwieweit die Arztpraxen in Brandenburg auf die neue Technik vorbereitet und an einer Umsetzung interessiert sei. Nicht zuletzt sei es notwendig, schnelles Internet in ganz Brandenburg zur Verfügung zu haben. Vor einer Umsetzung des Ärztetag-Beschlusses müsse zudem die Brandenburgische Landesärztekammer ihre Berufsordnung ändern; danach seien Fernbehandlungen bislang nicht erlaubt.“
Britta Müller schlägt ferner für Brandenburg ein Modellprojekt mit Teleärzten vor, ähnlich wie in Baden-Württemberg das „docdirekt“-Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung. Bei akuten Erkrankungen können sich dort Patienten, sofern sie ihren behandelnden Arzt nicht erreichen, in Modellregionen bei einem Tele-Arzt melden.
Dieser spricht mit dem Patienten über die Beschwerden und gibt eine Empfehlung für die Behandlung. Bei einem lebensbedrohlichen Notfall wird der Anruf an die Rettungsleitstelle weitergeleitet. In Baden-Württemberg sind auch Arztpraxen an das System angeschlossen, die bei einer notwendigen Akutbehandlung die Patienten aufnehmen und am gleichen Tag einen Termin vergeben. „Ein interessantes System, das auf der Ferndiagnose per PC beruht. Das wäre sicher auch für Brandenburg geeignet“, so Britta Müller.