Die Berliner S-Bahn hat im Laufe ihrer 100-jährigen Geschichte Höhen und Tiefen erlebt, wie die Metropole auch. Zug-Reihen kamen und verließen die Gleise wieder. Von den frühen Stadtbahnwagen über die Nachkriegsmodelle, die teilweise Jahrzehnte auf ausgefahrenen Gleisen schaukelten, bis hin zu den modernen Zügen, die gelegentlich noch ungläubiges Staunen hervorrufen.
Die Geschichte der Berliner S-Bahn spiegelt die wechselvolle Geschichte Berlins wider. Von den Höhen in den Zwanziger über die Tiefen der Teilung, Vernachlässigung der Fünfziger bis in die Achtziger bis zur Wiedergeburt seit den Neunzigern. Die S-Bahn steht für den Charakter der Stadt und des Umlandes. Immer etwas (vor)laut. Mal vornehm, dann wieder zickig. So isse: Wenn’s drauf ankommt isse da. Wenn auch etwas verspätet. (Man, Berlin, wat ick Dir liebe. gu)
Die Berliner S-Bahn feiert ihren 100. Geburtstag. Am 8. August 1924 fuhr der erste elektrifizierte Zug auf der Vorortbahn zwischen dem Stettiner Vorortbahnhof (heute: Nordbahnhof) und Bernau. Damit begann ein verkehrstechnisches Großprojekt, das eng mit der wachsenden und industrialisierten Weltmetropole Berlin verknüpft ist. Zum 100-jährigen Jubiläums lädt Berlin vier Tage lang zum großen Festival ein, bei dem jeder Tag einen anderen Programmschwerpunkt rund um die Berliner S-Bahn feiert. Vom 8. – 11. August 2024 können sich Groß und Klein auf vielfältige, kostenlose Veranstaltungen an mehreren Berliner Stationen freuen.
Fahrplan aus dem Jahre 1936. Die Planungen aus der Weimarer Zeit waren fast komplett (o.li.). Diverse Ziele der S-Bahn, siehe Zugschilder. Tatsächlich: Es gab einst Raucherabteile in der Holzklasse (mi.re.) und eine 2.Klasse mit Polstern (u.re.) Fotos: Reuber, Gestaltuung/Red: gu
Der Aufstieg und die wilden Zwanziger
1924: Die elektrische Berliner S-Bahn wird offiziell eingeweiht. Der erste Zug fährt auf der Strecke von Stettiner Bahnhof (heute Nordbahnhof) nach Bernau. Die Zeit der Dampfloks und der verqualmten Bahnsteige ist vorbei. Die ersten Planungen für eine Elektrische begannen übrigens bereits vor dem Ersten Weltkrieg (1914-18). (Fotos (oben) aus dem S-Bahn-Museum Erkner)
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1930er Jahre: Die S-Bahn rollt und wird zum Herz des städtischen Verkehrsnetzes. Zu den Olympischen Spielen 1936 rollt sie als Propaganda-Vehikel der braunen Herrenrasse (Nein, die Nazis haben weder die S-Bahn noch die Autobahn erfunden, auch für den Flughafen Tempelhof hatte es bereits Pläne gegeben.) Das Netz wird auf die Vororte ausgeweitet, und die Berliner Ringbahn wird vollendet. Sie rollt Tag und Nacht, für wenige Jahre...
1940er Jahre: Im Zweiten Weltkrieg bleibt die S-Bahn eines der wichtigsten Verkehrsmittel. Bis zur Kapitulation: Bombenangriffe und Artillerie legen Bahnen und Gleise, Reparaturbetrieben, Stellwerke und Weichen in Schutt und Asche.
„Führer befiehl, wir tragen die Folgen“
Mai 1945: Nach dem Krieg liegt Berlin in Trümmern, und das S-Bahn-Netz ist schwer beschädigt, Züge beschlagnahmt, Gleise abgebaut. Das große Räumen beginnt 1947, und die S-Bahn spielt ihre Rolle beim Wiederaufbau der Stadt.
1949: Die Teilung Berlins in Ost und West zerreißt die S-Bahn. Auch die -S-Bahn-West wird von der Deutschen Reichsbahn, die in Ostdeutschland ansässig ist, betrieben. Was zu Spannungen im Westteil der Stadt führt. Dennoch: Für 20 Pfennig kann man auf dem Ring einmal ‚rumfahren‘. Wehe, der Bengel ließ sich erwischen.
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13. August 1961: Der Bau der Berliner Mauer zerreisst das S-Bahn-Netz in Ost- und West-Berlin endgültig. Die West-Berliner meiden die S-Bahn, da sie von der DDR betrieben wird. Die Fahrgastzahlen sinken dramatisch, und viele Strecken im Westteil der Stadt werden vernachlässigt. Berlin-West baut in den folgenden Jahren Bus-Linien und U-Bahnen parallel zu den S-Bahn-Gleisen. Das S-Bahn-Symbol wird der Bahnhof Friedrich Straße. Hier können West-Berliner in den Ostteil der Stadt einreisen. Gegen Gebühr. Mitarbeiter des MfS (Auslandsaufklärung HVA) und heimliche KaDeWe-Kunden huschen an der Stelle auch unbemerkt in den Westen.
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Schrottiger Sozialismus
1970er Jahre: Die S-Bahn im Westteil Berlins verfällt zusehends. Viele Strecken werden stillgelegt, und die Züge sind in einem schlechten Zustand. Im Ostteil der Stadt bleibt die S-Bahn ein wichtiges Verkehrsmittel, aber auch hier gibt es infrastrukturelle Herausforderungen.
1980: Ein Streik der West-Berliner S-Bahn-Mitarbeiter führt zur vorübergehenden Stilllegung vieler Linien im Westteil der Stadt.
Auferstanden aus Ruinen und Renaissance
1989/1990: Nach dem Fall der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands beginnt die mühsame Wiederherstellung des S-Bahn-Netzes. Die Netze in Ost und West werden wieder miteinander verbunden.
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1990er Jahre: Eine umfangreiche Renovierung und Modernisierung beginnt. Neue Züge rollen, stillgelegte Strecken wieder in Betrieb genommen.
2000er Jahre: Die S-Bahn erlebt ihre Renaissance und steigt wieder zu einem wichtigen Verkehrsmittel in der vereinten Stadt auf. Die Fahrgastzahlen steigen, und das Netz wird kontinuierlich erweitert.
2009: Ein Radbruch führt zu massiven Einschränkungen. Viele S-Bahnen werden aus Sicherheitsgründen stillgelegt. Es wurde an der falschen Stelle gespart, das Management war Spielwiese für Nachwuchs. Die Fahrgäste maulen zu recht, verlieren das Vertrauen.
2010er Jahre: Die S-Bahn arbeitet intensiv daran, die technischen Probleme zu beheben. Es werden neue Sicherheits- und Wartungsprotokolle eingeführt, die Flotte wird (weiter) modernisiert.
Anno 2024: Die S-Bahn feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Sie ist wieder fester Bestandteil des Berliner Nahverkehrssystems. Es gibt noch viel zu tun: Viele Gleise sind (wieder) marode, Digitalisierung muss dringend vorangetrieben werden, Strecken wieder belebt.
Historische Modellreihen
Baureihe 168 (Stadtbahnwagen 1924) Die erste Generation der elektrischen Züge, die 1924 in Betrieb genommen wurde. Diese Wagen waren für ihre Zeit sehr modern und legten den Grundstein für den elektrischen Betrieb der S-Bahn.
Baureihe ET 165 (später 275) Diese Baureihe wurde in den 1920er und 1930er Jahren entwickelt und war bis in die 1980er Jahre im Einsatz. Sie war besonders in den Anfangsjahren der S-Bahn prägend.
Nachkriegsmodelle
Baureihe 475/875 Diese Züge wurden in den 1930er Jahren gebaut und waren bis in die 1980er Jahre ein vertrauter Anblick im S-Bahn-Netz.
Baureihe 476/876 Eine Weiterentwicklung der Baureihe 475, die ebenfalls bis in die 1980er Jahre in Betrieb war.
Baureihe 477/877 Wurde in den 1950er Jahren in West-Berlin eingeführt und waren bis in die 1990er Jahre im Einsatz.
Modellreihen ab den 1980er Jahren
Baureihe 480 Diese Züge wurden ab 1986 in West-Berlin eingeführt. Sie sind durch ihre markante gelb-rote Lackierung und die charakteristischen Fenster bekannt.
Baureihe 481/482 Diese Züge wurden ab 1996 eingeführt und sind bis heute die meistgenutzten Fahrzeuge im Berliner S-Bahn-Netz. Sie zeichnen sich durch ihre Zuverlässigkeit und Modernität aus.
Baureihe 485 Am 12. November 2023 hat sich die Baureihe 485 aus dem planmäßigen Fahrdienst verabschiedet: Für diesen einen Tag kehrte die 485 im Rahmen noch einmal auf ihre langjährigen Stammlinien S8 und S47 zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Produktion neuer S-Bahnzüge größtenteils zum Erliegen gekommen. Dies änderte sich erst 1979, als bei der Deutschen Reichsbahn (Staatsbahn der DDR, die damals die S-Bahnstrecken in West- und Ost-Berlin betrieb, siehe „Wiedervereinigung auf der Strecke“) mit der Konzeption einer neuen S-Bahngeneration begonnen wurde.
Neuer Look und Top-Technik
S-Bahn Baureihe 483/484 Die neue Generation von Zügen wird seit 2020 in Betrieb genommen. Klimaanlagen, Videoüberwachung und barrierefreien Zugang sind selbstverständlich. Die Baureihe ersetzt schrittweise die älteren Modelle...